Risiken in der aktuellen Zeit - Interview mit Thomas von P2P Game

+++ Please find the English translation here +++

In einem spannenden Interview haben wir Thomas von P2P Game zum Thema Risiken interviewt. Thomas investiert u.a. in ETFs und P2P-Kredite und kann auch einiges zu den aktuellen Scams (Betrugsfällen) berichten. Aber lest selbst:

Hallo Thomas, vielen Dank, dass du für ein Interview bei Capital Insider zur Verfügung stehst. Stell dich mal vor.

Vielen Dank, Dennis, dass du an mir und meinem P2P Blog interessiert bist. Freut mich das ich mich deinen Fragen stellen darf.
Grundsätzlich zu mir, ich selbst bin seit über 30 Jahren Anleger (Aktien und Fonds) und seit einigen Jahren zum “Kommer” Fan mutiert und lege den größten Teil meines Vermögens in einem sogenannten ETF Weltportfolio grob angelehnt an sein Buch "Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs" an. Wobei ich durchaus das Basis ETF Portfolio auch mal mit Einzelaktien und anderen Wertpapiere ergänze.
Da dies meistens grundsolide und langweilig ist, habe ich mir u.a. Vor ein paar Jahren P2P als Spielwiese erschlossen was auch zu dem eher eigentümlichen Blognamen p2p-game.com geführt hat. Investiert bin ich nunmehr in mehr als 20 Plattformen. Besonders viel Freude bereitet mir das Thema Podcasting und so betreibe ich zusammen mit Lars Wrobbel das P2P Cafe in dem wir uns zu aktuellen Themen oft mit Gästen, was die Investitionen in P2P Kredite angeht, austauschen. 

Das Coronavirus hat eine Panik in allen möglichen Asset-Klassen ausgelöst. Börsenkurse sind in Rekordzeit gefallen und im P2P-Bereich haben scheinbar viele Anleger panisch versucht ihr Geld abzuziehen. Wie hast du in dieser Zeit reagiert? Hast du etwas an deiner Strategie verändert oder Veränderungen im Portfolio vorgenommen?
Ja klar habe ich Änderungen vorgenommen.
Da durch den Kursrutsch mein P2P Anteil in meiner Asset Allokation zu groß wurde (mein Ziel ist es rund 10% P2P Anteil) habe ich moderat die Plattformen, die ich aktuell für eher gefährdet erachte, angefangen ein wenig zu entsparen.
Andere wie Estateguru und Mintos dafür etwas aufgestockt und vor allem auch fleißig trotz aller Kapriolen an der Börse ETFs, sobald frisches Geld verfügbar war eingekauft (plus ein paar Einzel Aktien Aktionen im "Spieldepot")
Wie sieht im Moment deine Asset-Allocation aus?

75% Geld im Risiko / 25% Geld fest also Tagesgeld & Staatsanleihen
vom Risiko Anteil sind rund:

13 % P2P 
7% Immobilien (ETFs & Reits)
20% Schwellenländeraktien und
60 % entwickelte Märkte (small & large caps je 50%)
Cash halte ich nie, um Markt timing vorzunehmen, sondern Cash ist Bestandteil meiner Allokation. Sobald ich wieder frisches Bargeld angesammelt habe schau ich mir meine Zielallokation an und kaufe dann entsprechend einen passenden ETF (und manchmal eben auch einen Einzeltitel) oder schiebe Geld aufs Tagesgeldkonto
Stichwort: Risiko. Wir steuern unser Portfolio über ein datenbasiertes Risikomodell. Hier hat sicherlich jeder Anleger eine unterschiedliche Herangehensweise was das Thema Risiko angeht. Wie gehst du mit Anlage-Risiko um und wie versuchst du dieses zu steuern?
Ich halte mich nicht sklavisch stumpf, aber doch weitgehend an das Model, das Gerd Kommer in seinen Büchern beschreibt und auf eine Asset Allocation setzt, die sich aus historischer Betrachtung als "Krisenfest" bewährt hat und "halte" auf der Grundlage die Risiken einfach aus. Habe also keine aktiven Finanzinstrumente (Hebelprodukte) die ja auch Kosten verursachen, um mich abzusichern. Durch den Hauptfokus auf ETFs minimiere ich auch ein Klumpenrisiko und muss an der Stelle ebenfalls nicht aktiv handeln, erreiche damit aber auch "nur" den Durchschnitt. Bei meinen Einzeltiteln bin ich auch eine treue Seele und halte mich deswegen auch eher zurück zu viele oder zu große Beträge an der Stelle zu investieren, weil ich nicht gerne loslasse (verkaufe) und daher auch noch seit Jahrzehnten Phillip Holzmann (war mal im DAX ;) ) und Xerox im Depot als Mahnmal habe. So hoffe ich, dass ich mit ETFs auf lange Sicht bestimmt besser fahre….

Am meisten überrascht hat mich, wie panisch auch bei den P2P Plattformen die Anleger wurden.
Thomas Butz, P2P Game
Kommen wir zu deinem "Spezialthema" P2P-Kredite. Hier hat sich in den letzten Wochen und Monaten einiges getan. Und darüber könnte man sicher ein Buch schreiben. Zunächst einmal, wie ist es deinem P2P-Portfolio ergangen und was hat dich am meisten überrascht?
Vorneweg dem P2P Portfolio geht es gut, hat wenig gelitten im Vergleich zur Börse und trotz einer größeren Plattform Abschreibung stehe ich immer noch gut im Plus - allerdings halt auch nur auf dem Papier und nicht liquide!
Erwartet hatte ich das die Ausfälle und Schwierigkeiten der Plattform nachgelagert zum Aktienmarkt stattfinden also mit einem Versatz von einigen Monaten und P2P sich antizyklisch zur Börse verhält.
Das war mitnichten so.
Am meisten überrascht hat mich, wie panisch auch bei den P2P Plattformen die Anleger wurden. Auf einmal  war vielen ihre eigene Liquidität wichtiger als Rendite und es wurden Abschläge von z.T. 30% auf "normalen" Kredite auf dem Mintos Zweitmarkt gesichtet (Anm. der Capital Insider: Das können wir aus eigenen Erfahrungen definitiv bestätigen!). Bei dem von vielen gern genutzten Produkt Go&Grow von Bondora ist das passiert, was ich schon immer sagte: Es gibt keine Liquidität, wenn alle sie wollen. Konkret muss man nun Wochen warten bis man sein Geld ausgezahlt bekommt.
Und auch fast sofort wurden Rückzahlungsfristen von den Plattformen einseitig geändert bzw. ausgesetzt diese zum Teil sogar staatlich angeordnet (Anm. der Capital Insider: Ersteres zum Beispiel bei Crowdestor).
  
Bei voraussichtlich vier Plattformen hat sich herausgestellt, dass diese größtenteils Scam sind oder waren. Obwohl auch wir bei einigen Plattformen investiert sind, waren diese Plattformen erfreulicherweise nicht dabei. Hier hat sich gutes Research sicherlich gelohnt. Welche Tipps würdest du P2P-Anlegern an dien Hand geben, um in Zukunft eine betrügerische Plattform zu erkennen und zu meiden?
Zum Teil hätte sich guter Research tatsächlich gelohnt bei den drei kleinen Plattformen war das ein Stück weit sicher, wenn man nicht naiv an das Thema herangegangen ist, erkennbar. Wobei ich bei zweien davon auch betroffen bin, wenn auch nur mit Spielgeld, weil ich schon immer gesagt habe, dass es selbst im Hochrisiko P2P Umfeld es noch weitere Risikokategorien gibt und kleine junge unbekannte Plattformen klar unter die riskanteste Kategorie fallen. Das sich allerdings bei allen drei herausstellt das zum großen Teil betrügerische Absichten dahinter stehen, hätte ich nicht erwartet (sonst hätte ich ja auch kein Spielgeld investiert) und war auch für mich ein Learning noch vorsichtiger als ich das eh schon mache, an neue Plattformen ran zu gehen. Schließlich zähle ich P2P Investments eh zu den hochriskanten Anlageformen und werde nicht müde immer mal wieder die Risiken aufzuzeigen.
Übrigens wurden die Plattformen zum Teil vor Ort besucht, waren auf Messen wie der Invest vertreten (Anm.: z.B. Kuetzal) und haben ihr Täuschungen teils sehr gut aufgezogen, sodass ein einfacher Research auch nicht geholfen hätte.
Bei der vierten Plattform dagegen ist es noch weniger offensichtlich, Grupeer war deutlich länger am Markt bei weitem keine ganz kleine Plattform mehr und hatte auch durchaus echte Darlehensanbahner und Kredite im Portfolio und so hat es doch einige überrascht, das eben nicht alles sauber lief - angeblich wussten sogar die eigenen Mitarbeiter, die fast Knall auf Fall an einem Tag entlassen wurden, von nichts...
Eines der Hauptprobleme (und natürlich ein Vorteil) ist, dass der P2P Markt bislang noch nahezu unreguliert ist. Das schafft zwar zum einen eben die sehr attraktiven Renditen zum anderen sorgt es aber nicht dafür, dass alle Plattformen sauber arbeiten (müssen), so haben gerade mal ein paar saubere Bilanzen, geprüft von renommierten Wirtschaftsprüfern. Zukünftig tut sich da gerade was und ich würde das als ernsthafter Anleger auch als muss Kriterium haben wollen - sehr weit fortgeschritten auf dem Weg dahin ist übrigens Estateguru.
Zum anderen sind natürlich auch wir Blogger nicht unschuldig und lassen uns durch die hohen Provisionen gern dazu hinreißen doch über die ein oder andere Plattform in wohlwollenden Tönen zu berichten - nur wenn alle dafür Trommeln muss das nicht gut sein.
Es ist sicherlich schade, dass durch solche Vorfälle die seriösen Plattformen in Mitleidenschaft gezogen werden. Dabei kann P2P ja nach wie vor eine interessante Anlagemöglichkeit sein. Wie siehst du das, auch im Hinblick auf das Rendite/Risikoverhältnis?
Durchwachsen ;) Ich finde es eine spannende Anlageklasse bei der man mit kleinen Beträgen schnell Erfolge erzielen kann. Würde sie aber immer als Ergänzung zu einem ETF Basisinvestment sehen und nicht wie andere das halten als Grundstock oder gar einziges Investment. So weit sehe ich eben P2P noch nicht - vielleicht ja nach der Krise in ein zwei Jahren. So lange bleibt das mein Spielfeld und ich bleibe bei um die 10% Portfoliobeimischung und freu mich, wenn meine Wette mit den Krediten aufgeht...
Mit welchen Veränderungen rechnest du in naher Zukunft in der P2P-Branche? Einige Plattformen wollen sich stärkerer Regulierung unterwerfen und haben Lizenzen als Investmentgesellschaft oder für E-Money beantragt. Aus unserer Sicht macht mehr Regulierung durchaus Sinn. Wie siehst du das?
Absolut notwendig auch, wenn es sich auf die Rendite auswirken wird, schließlich kostet das Geld spart uns aber hoffentlich auch dann zukünftig die ein oder andere böse Überraschung.
Aktuell sind wir als Investoren komplett der Willkür der Plattformen ausgesetzt das geht von einseitigen Vertragsänderungen (Laufzeitverlängerungen / grace periode) bis hin zur Einstellung des Geschäftsbetriebs. So etwas geht nur auf dem grauen Kapitalmarkt der komplett unreguliert ist.
Regulierung und das damit einhergehende Aufsichtsrecht können an sich ein recht komplexes Feld sein. Hier ist eine gewisse fachliche Qualifikation unabdingbar. Genauso verhält es sich beim Risikomanagement. Wie siehst du hier die P2P-Plattformen aufgestellt? Gibt es aus deiner Sicht verbesserungsbedarf?
Pauschal bestimmt. Je nach Geschäftsmodell kümmern sich die Plattformen darum fast gar nicht hat man den Eindruck (gerade bei den Plattformen die als Vermittler auftreten) bis hin zu Plattformen die über die Laufzeit bei Zinszahlungen weiter ihren Anteil verdienen (Linked Finance und dann eine entsprechende Motivation haben das wenig Kredite ausfallen). Auch hier ist Estateguru wieder positiv unterwegs die bislang noch kein Investorengelder verloren haben und einiges an ausstehenden Projekte zwar nach Jahren teils, wieder eingetrieben haben. Andere Plattformen dagegen, meint man, sehen das nur als notwendiges Übel an damit ihre Ausfallstatistiken nicht gar so gruselig aussehen. Positiv sticht da bislang übrigens auch Finbee raus, bislang hatten die geringe Ausfallraten bei ordentlicher Rendite >10% XIRR - ob das auch nach Corona so sein wird muss sich jedoch zeigen da ich schon mit deutlich steigenden Ausfällen - aber keinem Totalverlust, wie bei den Buyback Kreditanbahnern rechne.
Hattest du bei einigen Plattformen das Gefühl, dass fachliches Know-How fehlt? Und gibt es Plattformen, wo dich disbezüglich positiv überrascht haben oder du vom Management überzeugt bist?
Mal zwei Beispiele: Ich wundere mich wie viele andere das Fast Invest immer noch am Markt ist, die Plattform, die von Anfang an mit Intransparenz geglänzt hat wird weiter entwickelt zahlt Zinsen aus und schert sich nicht um ihrer Kritiker.
Positiv hatte ich ja Estategutu erwähnt die vieles einfach richtig machen, sei es die mittlwerweile gute Kommunikation oder auch der immer wieder gelieferte Beweis das sie auch ausgefallene Proejkte wieder erfolgreich eingetrieben haben. Übrigens läuft gerade eine FInanzierungsrunde für die Plattform auf
Seedrs und ich bin natürlich mit drei Anteilen dabei ;) (Anm. der Capital Insider: Wir sind auch dabei ;) )
Wie sieht für dich die optimale P2P Plattform der Zukunft aus? Was muss diese mitbringen?
Ich denke viele Punkte hatte ich ja schon angesprochen, wenn ich das nochmal kurz zusammenfassen soll, sind die wichtigsten aus meiner Sicht:
  • Transparenz in allen Belangen
  • Auditierte Geschäftsberichte (Anm.: D.h. von echten bzw. renommierten Wirtschaftsprüfern geprüft)
  • Hervorragendes Risikomanagement
  • Gute Kommunikation
  • Ein Interesse auch an Rückzahlungen und dem Eintreiben ausstehender Kredite
  • gute Diversifikationsmöglichkeiten
  • Und natürlich trotz allem noch eine attraktive Risikoprämie von mindestens 10% p.a.
  • Keine (nicht erfüllbare) Rückkaufgarantie oder sonstige leere Versprechen
Thomas, vielen Dank für das Interview!
Gerne ich danke dir auch nochmal das ich dein Interesse geweckt habe und wünsche all deinen Lesern viel Erfolg bei ihrer Anlageentscheidung!


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